Florian weg, hat kein Zweck. Erling hinterher, 1000 Tore mehr!
- Tobias Seiler
- 12. Dez.
- 3 Min. Lesezeit

Ja, so hätten wir unseren Gegner damals an die Wand beleidigt. Damals auf dem „Roten“ (Sportplatz). Also dem Ascheplatz hinter der Schule. Damals als wir so acht bis zwölf
Jahre alt waren. Und schon damals hat es demjenigen wehgetan, der „beleidigt“ wurde. Vielleicht. Aber was wussten wir schon? Wir waren ja Kinder. Und da der Spruch eher spielerisch gerufen w
urde, statt geschrien, nahm das vielleicht auch ein bisschen der Vehemenz, die hinter der Aussage stand.
Lasst uns doch Kritik einfach singen
Müssten wir uns also nur vorstellen, dass die Artikel, die diese Woche über Florian Wirtz‘ „desaströsen“ Marktwert-Einbruch erschienen sind, gesungen würden und alles wäre nur halb so schlimm? Ich glaube nicht. Und schließlich sind ja diejenigen, die die Artikel verfasst haben auch keine Kinder mehr.
Wobei. Ich hab es ehrlich gesagt nicht recherchiert. Vielleicht waren es auch irgendwelche Bots aus Indien. Wer weiß das in der heutigen Zeit schon?! Am Ende auch egal wer es geschrieben hat. Entscheidend ist, dass es ein Mensch am Ende der Kette freigegeben hat. Freigegeben zur Veröffentlichung. Und das war meiner Meinung nach komplett unnötig.
Die Headline-Maschinerie dreht wieder frei
Den Überschriften zufolge müssen wir uns nach dem neuesten Transfermarkt-Update aus England wahrscheinlich von unserem ehemaligen Fußball-Talent Florian Wirtz verabschieden. Kann nix. Konnte noch nie was. Brauchen wa nicht mehr. Sein Marktwert ist ja ne Zumutung für uns Deutsche. Wie unangenehm, dass der mal Spieler des DFB war. Oder noch ist?
Wir „Deutschen“ sind manchmal gut darin, uns selbst klein und unwichtig zu machen. Und gegenseitig kaputt zu reden. Also nicht alle Deutschen. Aber vor allem die mediale Zunft.
Zum Teil verständlich, wenn man auffallen will und muss, weil wir ja alle unter einem unsäglichen Message-Clutter leiden (müssen). Da muss ne Headline „sitzen“. Sie darf doch auch ein klitzkleines bisschen übers Ziel hinausschießen. Oder?
Frage ist: Ist das ein klitzekleines bisschen?Der FOCUS spricht vom „Tiefschlag“ für Wirtz.Die WELT lässt ihn abstürzen.Die Sport BILD: „Dramatischer Absturz: Wirtz-Marktwert schmiert ab!“Absolut Fußball: Klarer Absturz für Florian Wirtz!
In meinen Beiträgen soll es um Spieler:innen und Sportler:innen gehen und ihre mentale Kraft, Gesundheit oder Fitness. Ich will keine Medien bashen. Nicht mein Ding.
Ich will einfach schreiben und einordnen. Manchmal geht beides vielleicht mal Hand in Hand. Also das bash… äh kritisieren von Medien und die Einordnung für den jeweiligen Spieler oder die Spielerin.
Denn nach wie vor entscheidet auch der öffentliche Umgang mit der Leistung von Sportlern, wie die sich fühlen.
Immer feste drauf auf die Jungs
Ich weiß, das ist schon lange so. Und wenn gerade wieder etwas Schlimmes passiert ist, dann erinnern wir uns daran. Wie damals beim schrecklichen Suizid von Robert Enke oder dem Suizid-Versuch von Babak Rafati.
Da haben wir im Kollektiv zur Mäßigung der öffentlichen Kritik an Menschen aufgerufen. Das ging dann ein paar Tage. Manchmal auch einige Wochen. Aber wenn einmal wieder ordentlich Gras über die Sache gewachsen ist, dann geht es wieder los.
Für mich ist eben diese Causa Wirtz auch einer dieser Fälle. Nicht dass ich erwarte, dass sein Leistungsvermögen jetzt völlig einbricht. Oder dass etwas wirklich Schlimmes passiert.
Dennoch. Er wird das lesen. Irgendwie wird es ihm zugetragen. Es wird was mit ihm machen. Aber was?
Was macht das mit einem 22-jährigen Menschen, der irgendwann mal angefangen hat Fußball zu spielen, weil er Fußball spielen wollte. Nicht weil er Lust hatte, dass man ihn Jahre später in sämtlichen Gazetten durch den medialen Fleischwolf dreht.
Wie kann er in jungen Jahren mit der Erwartungshaltung klarkommen, etwas Intergalaktisches als Sportler zu vollbringen, und dem Gefühl, als Mensch versagt zu haben, wenn er scheitert?
Natürlich weiß ich, dass wir alle wissen, dass der TM-Marktwert ohnehin eine sehr intransparente Zahl ist, die weder evidenzbasiert ist, noch über seine fußballerische Zukunft bestimmen wird. Und schon gar nicht sein potenzielles Leistungsvermögen.
Resilienz schlägt Marktwert
Was sein Leistungsvermögen aber beeinflussen wird, ist sein Maß an Resilienz, mit dem er ausgestattet ist. Also die Fähigkeit, nach Rückschlägen zurückzukommen bzw. die Härte von Rückschlägen durch ein starkes „Ich“ ein wenig abzufedern.
Ihm würd‘ ich zurufen: Flo, schau‘ dich erstmal nicht in Social Media um und lies keine News-Seiten.
Und falls doch: Dein wahrer Wert hängt nicht an dem zufällig gewürfelten TM-Marktwert. Viel mehr daran, was du dir und anderen schon für Freude mit deinem Talent gegeben hast. Und auch wieder geben wirst.
Ich freu‘ mich drauf.
Und den Sport-Outlets würde ich freundlich schreiben:
"Kommt Leute, echt jetzt?! Verzichtet doch auf die 3 Klicks, die ihr durch so eine Headline vielleicht mehr bekommt.
Stellt euch einfach vor, es geht um euer eigenes Kind. Würdet ihr dann auf „Veröffentlichen“ klicken?"
Ach ja: Flo ist „nur“ noch 110 Millionen Euro wert. Was ein Absturz!
Erling angeblich 200 Millionen Euro. Ach Komm' ey.



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