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AutorenbildTobias Seiler

"What happens auf Sylt, stays (not) auf Sylt". Und warum das gut ist.

Aktualisiert: 29. Mai


Die Insel Sylt aus der Luft

Wahrscheinlich hat man sich lange nicht mehr so sehr gewünscht, dass die Insel wieder überrannt wird von Punks. Der "Vorfall", über den gerade alle reden, schreiben, berichten ist verstörend, dumm, dreist, falsch, rückgewandt und an Frechheit und Dreistigkeit nicht zu überbieten. Es ist so viel Wasser auf so viele Mühlen. So falsch alles daran ist, so wahrscheinlich ist es, dass es nicht die einzige Szenerie ist und war im Land, in der ausgelassen Naziparolen geschrien werden. Es ist und bleibt ein Schlag in die Magengrube für alle, die das Grauen vor 80 Jahren überlebt haben und alle hier Lebenden, die nach Meinung dieser privilegierten Yuppies, etwas weniger deutsch sind.

Diese Denke ist so unfassbar dumm und rückständig, dass man schreien will. Wir alle sind Ausländer. Irgendwo auf der Welt sind wir Ausländer. Was würde man also selbst denken, wenn dieses Skandieren Ausdruck des Denkens einiger Menschen wäre in dem Land, in dem man gerade zu Gast ist oder das man als Lebensmittelpunkt gewählt hat. Das Video verdeutlicht einmal mehr: Rechtes Gedankengut gärt nicht im Kopf von Ostdeutschen, wie wir schnell immer annehmen. Es ist auch kein Problem der sozialen „Unterschicht“. Es ist Gedankengut. Also in diesem Fall halt Gedankenschlecht. Und genau wie beispielsweise ansteckende Krankheiten kennt es eben keine sozialen Schichten oder territoriale Grenzen. Ebenso wenig macht es einen Unterschied zwischen Menschen mit Uni-Abschluss oder Menschen ohne Schulabschluss oder Ausbildung. Bildung, Haltung und Charakter sind keine Fächer, die du ausschließlich in der Schule, Uni oder im Job lernst. All das lernst du im LEBEN. Wie du Kassiereri:nnen im ALDI begegnest, wie du einer Lehr- oder Reinigungskraft gegenübertrittst und eben wie du jemandem begegnest, der nicht in Deutschland geboren ist, ggf eine andere Hautfarbe hat, anderen Glaubens oder anderer sexuellen Orientierung ist, als du: All das sagt etwas über deine Bildung aus. Über deinen Charakter. Und darüber, ob du ausgestattet bist mit der richtigen Anzahl an Wirbeln im Rückgrat oder dich wirbellos durch alles hindurchschlängelst. Hauptsache  du hast so ein vermeintlich sorgenfreies Leben. Haltung ist und bleibt Luxus, den man sich leisten können muss. Und wie jedes andere Luxusgut im Leben auch, hat Haltung einen Preis. Sogar einen sehr hohen, der im Notfall vermeintliche Freundschaften oder Zugehörigkeit kosten kann.


Diesen privilegierten Schnöseln und Schnöselinnen wird zum Verhängnis werden, dass sie sich in Sicherheit wähnten. Denn sie waren ja in ihrer Bubble. In der Bubble, in der ja jeder ist wie der oder die andere. „What happens in se Bubble, stays in se Bubble“.

Zusammenhalt kann großes tun. Man fühlt sich dazugehörig. Man fühlt sich viel stärker als allein. Man lässt sich mitreißen von den anderen. Und dann passiert manchmal das, was jetzt auf Sylt passiert ist. „Er hat angefangen. Sie war's. Ich hab's nur nachgemacht“, kann niemals Entschuldigung oder Rechtfertigung dafür sein, was man selbst verbockt. „Charakter ist das was übrig bleibt, wenns haarig wird“ oder in diesem Fall: …“wenn privilegierte neureiche Ars..... Hetzlieder singen“. Wer bist du in diesem Moment? Der, der mitsingt, um nicht aufzufallen? Oder der, der sich beschämt wegdreht, den Laden verlässt und seinen „Freunden“ im Nachgang erklärt, dass die Party die letzte Party zusammen war?


Für die, die da mitgemacht haben, bleibt folgendes:

·      Öffentliche Demütigung

·      Jobverlust

·      Gecancelt werden. Wie lange, bleibt abzuwarten.

 

“Cancel-Culture at its finest“.


Ich bin ausdrücklich dagegen sie auf offener Straße mit Steinen zu bewerfen oder ihre Namen wie den Wetterbericht in öffentlichen Portalen zur Schau zu stellen. Das macht ja die BILD schon. Ist auch Quatsch. Ich bin aber klar dafür, dass man als Rechtsstaat Signale setzt und öffentlich klarmacht, dass das einfach nicht geht. Null Komma Null sogar. Das Ausmaß an Toleranz darf hier nicht bei mehr als 0% liegen.


Wieso verfasse ich einen Blogbeitrag gerade jetzt und ausgerechnet zu diesem Thema?

Ganz einfach: Wer mich kennt, weiß, dass das Thema Persönliche Entwicklung junger entwicklungsfähiger Menschen ein zentraler Baustein meiner Arbeit ist. Leistungsoptimierung ist nie allein physisch, sondern immer auch psychisch. Das Beispiel zeigt, was passieren kann, wenn die persönliche Entwicklung zu einseitig, in einer Bubble oder gar nicht stattfindet.


Für mich sind drei Punkte nochmal herauszustellen seit dem Sylt-Gate und richtet sich (nicht ausschließlich) an die Sportler:innen, mit denen ich aktuell zusammenarbeite und zukünftig zusammenarbeiten will:


1.        Als (Profi)-Sportler lebst du ebenfalls in einer Bubble. Vergiss das nie. Du hast das Privileg mit einer Tätigkeit Geld zu verdienen, die du jeden Tag gerne ausübst. Je nach Erfolgsgrat kannst du sogar sehr viel Geld verdienen. Zumindest für 8-13 Jahre. Vielleicht länger. Du ziehst dadurch Menschen an, die das wissen und sich mit dir umgeben wollen. Und zwar genau so lange, wie du das viele Geld verdienst und ein gewisses Ansehen hast. Das bedeutet nicht, dass alle Menschen, die du in der Zeit kennenlernst, schlechtes im Sinn haben und ausschließlich auf dein Geld aus sind. Um besser zu verstehen, wer wie tickt und in welchen Kreisen du dich bewegen willst, etabliere also ein Wertesystem. Was sind deine Werte? Wenn du diese einmal definiert hast, kannst du immer abgleichen wie dein Wertesystem mit dem anderer Menschen matched. Dafür musst du übrigens deinen Gegenüber nicht immer fragen, welche Werte er oder sie lebt und verkörpert. Das wirst du erkennen. Manchmal sehr schnell, manchmal dauert's. Wenn du deine Werte schon kennst, super. Wenn nicht, sprich mich an! Das finden wir zusammen raus!

2.        Wo immer du dich befindest: Kabine, Whatsapp-Gruppe, im Partyurlaub mit Freunden, in einer Wohnung bei Kumpels während ihr Playstation spielt, egal wo. Was immer du tust, sagst oder zeigst, gehe immer davon aus, dass das, was du tust, sagst oder zeigst, deine Bubble verlassen kann. Vergiss nie, dass du die Verantwortung dafür trägst, was du tust, sagst oder zeigst. Immer. Vielleicht hegen viele dieser Jungs und Mädels, die auf Sylt den Dauerbrenner von Gigi D'Agostino sehr unschön umgedichtet gebrüllt haben, kein rechtsradikales Gedankengut. Vielleicht. Wer weiß das? Vielleicht machen sie es auch "nur" implizit und nicht explizit. Ist aktuell egal. Sie wahren dabei. Mitgehangen, mitgefangen. Vergiss das nie.

3.        Wenn du rassistische, homophobe oder sonst wie diskriminierende Denkweisen in deiner Bubble teilst oder siehst, dass sie geteilt werden und das irgendwie gut findest, melde dich auf jeden Fall. Dann beenden wir die Zusammenarbeit. Sofort. Mit Niemandem werde ich jemals so viel Geld verdienen, dass gerechtfertigt sein kann, dass ich darüber hinwegsehe, dass er oben beschriebenes Gedankengut äußert oder sich entsprechend verhält. Ich werde niemandem meinen Wertekompass aufdrängen oder ihm meinen vorgeben, aber hier geht es nicht darum, ob man bei irgendeiner Wahl SPD oder CDU wählt oder blau oder rot als Lieblingsfarbe hat. Individualität hat irgendwann Grenzen.

Ich will nicht in einer Welt leben, wo so ein Denken „normal“ ist und versuche seit Jahren bestmöglich selbstverliebte, rassistische oder zu prollige Menschen aus meinem Dunstkreis verbannen. Klappt semi und ist natürlich nicht immer möglich. Aber da, wo ich's beeinflussen kann, mach ich das mittlerweile sehr resolut.


Fazit: Du wirst gegebenenfalls irgendwann an Einfluss gewinnen und meine klare Haltung ist: Sport bleibt eben nicht nur Sport. Man kann sich nicht NUR auf seinen Sport beziehen und gesellschaftspolitische Themen immer außen vor lassen. Zumindest nicht, wenn sie so bedeutend sind, wie Rassismus und Diskriminierung. Die Welt ist mittlerweile so vernetzt, dass nichts mehr losgelöst voneinander stattfindet und A nicht auch Einfluss auf B hat. Social Media ist nicht nur der Teufel! Sondern ist eine Multiplikatoren-Maschine, die jedem (kostenlos) die Möglichkeit verschafft, Einfluss auf viele zu nehmen. Du musst nicht morgen einer Partei beitreten oder Aktivist werden. Schau nur, dass du kein rechtsradikales, intolerantes Ars..... wirst oder dich mit diesen umgibst. Die Welt war da schon. War richtig beschissen und es gab keine Gewinner.

Überleg dir also wo du im Leben stehen und mit welchen Menschen du dich umgeben willst.

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